Vergiftete Welten: Von Facebook zum »Metaverse«

Du setzt Deine Brille oder Dein Headset auf und befindest Dich sofort in Deinem digitalen Zuhause.“ Mit diesen Worten lüftete Mark Zuckerberg Ende Oktober den Vorhang zum Metaverse.[1] Die virtuelle Welt ist das Zukunftsprojekt von Meta Platforms, Facebooks neuem Mutterkonzern, der ab sofort alle Unternehmensbereiche unter einem Dach versammelt, darunter auch Facebook, Instagram und WhatsApp.

Diese drei Plattformen, das zeigt auch die neue Holding, sind in der Unternehmensstrategie in die zweite Reihe gerückt. An erster Stelle steht fortan die dreidimensionale Comicwelt des Metaverse. Bereits in fünf Jahren werden wir dort, so prognostiziert es Zuckerberg, als Avatare – also in Gestalt virtueller Doppelgänger – arbeiten, Freunde treffen, spielen und einkaufen. „Du kannst im Metaverse alles tun, was Du Dir vorstellst“, schwärmt der Facebook-Gründer. „Du wirst die Welt reichhaltiger als jemals zuvor erleben.” Ohne zusätzliche Technik geht das natürlich nicht: Um in den Genuss der virtuellen Freiheiten zu kommen, müssen Nutzer spezielle, mit Brillen und Kopfhörern ausgestattete Headsets tragen. Zudem können sie mit Hilfe von Metas Virtual-Reality-Plattform Horizon eigene digitale Räume erschaffen.

Die Vision einer solchen Parallelwelt ist keineswegs neu. Erstmals findet sich der Begriff „Metaverse“ in Neal Stephensons Cyberpunk-Roman „Snow Crash“ aus dem Jahr 1992. Darin taucht der Pizzalieferant und Hacker Hiro immer wieder in ein gleichnamiges computergeneriertes Universum ein, um der tristen wie bedrohlichen Realität zu entfliehen. In der Techbranche wird Stephenson, der neben dem Metaverse auch das Konzept des Avatars und die Kryptowährung erfunden haben soll, geradezu als Prophet verehrt. Auch in Facebooks Managementteam gilt „Snow Crash“ als Pflichtlektüre.

Zuckerberg will die Fiktion nun zur virtuellen Realität gerinnen lassen – und er glaubt fest an deren Erfolg: „Mit dem Metaverse schlagen wir das nächste Kapitel des Internets auf“, ist der Konzernchef überzeugt, „und es ist auch das nächste Kapitel für unser Unternehmen.” Aus diesem Grund wird Meta noch in diesem Geschäftsjahr mehr als 10 Mrd. US-Dollar in seine Metaverse-Abteilung Reality Labs investieren, 10 000 neue Arbeitsplätze sollen allein in Europa entstehen.

Auch wenn Zuckerbergs Ambitionen auf dem Feld der virtuellen Realität seit Jahren bekannt sind, kamen seine Ankündigungen zu diesem Zeitpunkt selbst für Branchenkenner überraschend. Denn das Metaverse ist bei weitem noch nicht marktreif. Vor allem aber steht Zuckerbergs zukunftsfrohe Präsentation im schroffen Gegensatz zu den Enthüllungen der Whistleblowerin Frances Haugen in den vergangenen Wochen. Und diese belegen eindrücklich, wie gefährlich die Idee einer von Mark Zuckerberg kontrollierten Parallelwelt ist.

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