Interview im SWR2: Lücke im Netzwerkdurchsetzungsgesetz – Weshalb »Telegram« nichts zu befürchten hat

»Das ›Netzwerkdurchsetzungsgesetz‹, das zum 1.Februar in Kraft getreten ist, ist ein Fortschritt – hat aber weiterhin große Schwächen. Diese Ansicht vertritt Daniel Leisegang, Internet-Experte der ›Blätter für deutsche und internationale Politik‹ im Gespräch mit SWR2.

Die kurz ›Netz-DG‹ genannte Novelle zwingt soziale Netzwerke dazu, mehr zu tun als bisher. Statt strafbare Inhalte nur zu löschen, müssen sie diese nun an das Bundeskriminalamt melden, das Strafanzeigen an die Bundesländer weitergibt. ›Da rechnet man tatsächlich mit mehreren 10-tausend Strafverfahren pro Jahr‹, erklärt Leisegang. Das stelle die Behörden vor Probleme, denn die Polizei arbeite bereits jetzt am Limit: ›Dass da aufgestockt wird, ist dringend nötig‹. ›Das Netz-DG‹ gebe dennoch die Hoffnung, dass strafbare Inhalte im Internet jetzt häufiger sanktioniert werden.

Den umstrittenen Dienst ›Telegram‹ werde das neue Gesetz aber vermutlich wenig treffen. Denn hier gebe es, so Leisegang, ein ›Vollstreckungsproblem‹: ›Man weiß nicht, wo das Unternehmen sitzt – das ist sehr nebulös.‹ Am offiziellen Unternehmenssitz Dubai gebe es nur leere Büros, weshalb Mahn- und Bußgeldbescheide nicht zugestellt werden könnten. Dabei sei ›Telegram‹ mit seiner Sonderrolle, sowohl Messenger-Dienst als auch Plattform für öffentliche Gruppen zu sein, für rechtsextreme Gruppen und Verschwörungstheoretiker besonders wichtig. ›Telegram geht dagegen kaum vor‹, stellt Leisegang klar. Der Konzern, der einem russischen Milliardär gehört, sei sogar stolz darauf, dass er keine Zensur ausübe: ›Deshalb war er auch sehr beliebt bei demokratischen Oppositionsgruppen, unter anderem im Iran und in Belarus.‹

Für den Fachjournalisten Leisegang verbirgt sich hinter der Debatte um Telegram auch politische Hilflosigkeit. Man wolle nicht das gesellschaftliche Problem der Radikalisierung reden: ›Die kommt ja nicht aus dem Nichts, sondern lagert sich nur aus auf Bühnen, wo sie auch vorangehen kann.‹ Das Schließen solcher Plattformen beseitige dieses Phänomen nicht, denn: ›Die weichen sofort aus.‹ So gebe es in den USA bekannte Anbieter mit solchen Inhalten. Dazu gehöre auch ›truth social‹ von Ex-Präsident Donald Trump, das in wenigen Tage online gehe.«

(SWR2)


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